Wasser ist der Stoff des Lebens.
Ohne Geschmack, Geruch oder Farbe, und doch für uns der wichtigste Stoff auf der Welt.
Aber nicht nur auf der biologischen Ebene. Wasser ist ein so unscheinbarer, so selbstverständlicher und doch gleichzeitig so geheimnisvoller und seltener Stoff im Universum. Vor allem in seiner flüssigen Form.
Flüssiges Wasser ist nicht nur eine Lebensnotwendigkeit für uns. Es ist eine Metapher. Ein manifestiertes universelles Prinzip des Lebens, das wir hier auf der Erde beobachten und anfassen können.
Wasser ist das größte Geschenk, das wir bekommen konnten und nach dem Lesen dieses Buches wirst du genau wissen warum.
Aber, um dir einen kurzen Überblick zu geben, hier ein paar verblüffende Gründe, warum Wasser so wichtig für uns, dieses Buch und dein Leben ist:
(Hinweis: Dieser Artikel ist ein Kapitel aus meinem neuen Buch über das Loslassen)
Inhaltsverzeichnis
Warum Wasser der Schlüssel ist
Wasser ist die Essenz, der Schlüssel des Lebens. Warum?
1) Dein Körper besteht zur Hälfte aus Wasser
Im Erwachsenenalter besteht unser Körper zu über 50 % aus Wasser. Im Kindesalter sind es sogar 70 %.
2) Ohne Wasser entsteht kein Leben
Zumindest nach dem bisherigen Stand der Forschung.
Nicht alle Lebewesen brauchen Sauerstoff oder Sonnenlicht zum Leben. Aber scheinbar brauchen alle Wasser. Zumindest alle, die wir kennen.
3) Wasser ist unser Ursprung
Das Leben entstand sogar im Wasser; im Urozean, um genauer zu sein.
Dieser Ozean war nicht plötzlich da. Kometen brachten bei ihren Einschlägen auf die junge Erde das Wasser mit. Natürlich geschah das nicht „eimerweise“, sondern Tropfen für Tropfen. Über eine lange Zeit hinweg bildete sich so der Urozean, der alles Leben ermöglichte.
4) Wasser selbst ist überall und nirgendwo
Wasserstoff ist das häufigste Element im Universum.
Kein Element kommt öfter vor. Jedenfalls nicht in den Teilen des Universums, die wir beobachten können.
Und dennoch ist Wasser in seiner flüssigen Form extrem selten. Damit es so existieren kann, muss nicht nur genügend davon vorhanden sein, sondern es müssen unzählige andere Faktoren, wie zum Beispiel der richtige Abstand eines Planeten zu seiner Sonne, eingehalten sein.
Wenn wir es so betrachten ist alleine die Tatsache, dass wir hier auf diesem Planeten leben können und Wasser erfahren können ein unaussprechliches Geschenk.
5) Wasser schenkt uns Licht und Wärme
Eben erwähnten wir das Sonnenlicht. Nicht alle Lebewesen brauchen es, aber wir Menschen schon.
Woher kommt Sonnenlicht?
Von unserer Sonne.
Was ist die Sonne?
Ein Stern.
Wie funktionieren Sterne?
Was ist dazu nötig?
Wasserstoff.
6) Wasser ist so alt wie das Universum
Wegen seiner simplen Struktur (Wasserstoff ist das erste Element im Periodensystem) war es wohl das erste Element im Universum.
Aber das wichtigste Merkmal des Wassers für dieses Buch ist zweifellos das folgende:
7) Wasser fließt
Dieses Prinzip des Fließens beschränkt sich aber nicht bloß auf das Wasser. Wir finden es überall in der Welt wieder:
- Wir finden dieselben Stromlinien, die fließendes Wasser auszeichnen, in unseren Knochen, in unseren Muskeln, in der Maserung von Holz und sogar in Steinen wieder.
- Unser Körper hält uns durch fließendes Blut am leben, fließender Strom brachte uns enorme technologische Fortschritte, genauso wie die Strömungslehre in der Luftfahrt.
- Wenn wir die Erde von Weitem und im Zeitraffer betrachten könnten, würden wir feststellen, dass sämtliche Veränderungen wie der Drift der Kontinente oder das Entstehen und Vergehen von Gebirgen, einem einzigen großen „Fluss“ der Materie gleicht.
- Selbst Planeten, Sterne und ganze Galaxien scheinen sich fließend durch das Universum zu bewegen.
Aber es beschränkt sich nicht auf materielle Dinge. Das Prinzip des Fließens gleicht dem Prinzip des Loslassens so stark, dass es das Ideale Sinnbild für dieses Buch ist. Und wir sind nicht die Ersten, die diesen Zusammenhang erkennen. Vor allem im Daoismus war und ist Wasser und die Idee des Fließens schon immer ein wohlbekanntes und heiliges Prinzip.
Die Bedeutung des Wassers im Daoismus
Kuan Chung, ein berühmter chinesischer Politiker und Philosoph, drückte es um 700 v. Chr. folgendermaßen aus:
„Wasser ist das Blut der Erde und fließt durch ihre Muskeln und Adern. Man sagt daher, dass Wasser alles vermag.
Es sammelt sich in Himmel und Erde und lagert in den mannigfaltigen Dingen (der Welt). Es dringt in Metall und Gestein und konzentriert sich in den Lebewesen. Daher sagt man, dass Wasser etwas Geistiges ist.
Es sammelt sich in Pflanzen und Bäumen, und so haben deren Stämme ihr ordnungsgemäßes Wachstum, ihre Blüten die rechte Zahl und ihre Früchte das rechte Maß. Die Leiber der Vögel und Tiere werden, da sie Wasser haben, feist und groß;
[…]Was ist es also, das alles vermag? Es ist das Wasser. Nicht eines der mannigfaltigen Dinge gibt es, das nicht aus ihm hervorgeht. Nur wer (mit seinen Prinzipien) umzugehen weiß, kann in rechter Weise handeln …
Für den Weisen ist daher das Wasser der Schlüssel zur Wandlung der Welt. Denn wenn das Wasser unvergiftet ist, ist das Herz der Menschheit befriedet. Ist das Herz der Menschheit lauter, so ist nichts Böses in ihrem Wandel. Wenn der Weise daher die Welt regiert, so lehrt er nicht jeden einzelnen Menschen oder jedes einzelne Haus, sondern nimmt sich das Wasser als Schlüssel.“2
(Kuan Chung)
Das ist das Prinzip des Wassers. Und es ist gleichzeitig das paradoxe Prinzip des Loslassens und des ganzen Lebens, das du in diesem Buch kennenlernen wirst
In den folgenden Kapiteln wird uns das Beispiel des Wassers immer wieder begegnen. Warum? Weil es, wie du bereits erahnen kannst, die perfekte Metapher für so viele Prinzipien und Vorgänge ist, die wir uns ansonsten nur schwer veranschaulichen könnten.
Aber warum brauchen wir diese Metapher Wasser? Können wir nicht einfach direkt über das Loslassen reden? Jain …
Warum brauchen wir die Metapher Wasser?
Wir werden auch direkt über das Loslassen reden, aber viele Aspekte davon sind nicht leicht verständlich.
Das Loslassen ist beispielsweise Grundlage des ZEN, welches von Schülern Jahrzehnte oder ihr ganzes Leben lang studiert und geübt wird.
ZEN-Meister sagen, dass die Lehre nicht in Schriftform, sondern immer nur unmittelbar von Meister zu Schüler weitergegeben werden kann. Es liegt soviel nicht beschreibbares darin, dass man ein Beispiel braucht, um es wirklich zu verstehen.
Da ich aber nicht persönlich zu dir kommen und dir ein Beispiel vorleben könnte und mich bei Weitem nicht ansatzweise als eine Art ZEN-Meister bezeichnen könnte, kommt uns das Wasser zur Hilfe.
Das Wasser ist das perfekte Beispiel für alles, was wir uns in diesem Buch anschauen wollen.
Warum Wasser das perfekte Beispiel ist
- Jeder kennt Wasser.
- Jeder hat Wasser zu Hause.
- Es ist universell und eignet sich perfekt, um das wahre Wesen des Loslassens zu beschreiben.
Wenn du mein Ebook „Weisheiten des Flusses“ kennst, weißt du, wovon ich rede.
Aber lass uns doch direkt seine wunderbare Eignung als Beispiel für dieses Buch in Form einer Metapher beschreiben:
- Wenn du das Wasser packen willst, rinnt es dir durch die Finger.
- Willst du das Wasser genauer betrachten, siehst du hindurch oder nur Partikel, die in oder auf ihm treiben.
- Wenn du das Wasser in einem Eimer fängst, fließt es nicht mehr. Es kann nur als fließendes Wasser existieren, wenn du es los- und fließen lässt.
- Weil das Wasser nichts bezwecken oder erreichen will, ist es nützlich, versorgt Wiesen, Wälder, Tiere und uns Menschen und treibt sogar Kraftwerke an.
Siehst du, wie uns dieser kurze bildliche Vergleich schon zu Beginn des Buches geholfen hat, das wahre Wesen des Loslassens besser zu verstehen?
Hätten wir es ohne einen bildlichen Vergleich beschreiben wollen, hätten wir seitenweise Text dafür gebraucht, wenn wir es überhaupt geschafft hätten. Das ist die Kraft von Metaphern und deswegen findest du sie überall in diesem Buch.
Warum dieses Buch voller Metaphern ist
- Wenn jemand das Prinzip der Symbiose nicht versteht, kannst du es ihm mit der Metapher von Bienen und Blumen erklären.
- Wenn jemand das Prinzip des Fliegens nicht versteht, kannst du es ihm mit dem Vergleich der Fortbewegung im Wasser erklären.
- Und wenn jemand das Prinzip des Loslassens nicht versteht, kannst du es ihm durch den Vergleich mit fließendem Wasser näher bringen.
Die erklärten Phänomene entsprechen nicht genau diesen Sinnbildern. Sie sind nur ähnlich wie diese Sinnbilder.
Die Vergleiche genügen aber, um einen guten Eindruck davon zu bekommen. Einen Eindruck, den man ohne diese Metaphern wenn überhaupt nur mit hohem Aufwand vermitteln könnte.
Deshalb wimmeln alle guten Bücher nur so von Gleichnissen und Parabeln. Vor allem in religiösen Schriften kommt man oft keine zwei Seiten weit, ohne eine neue Metapher zu entdecken.
Die Bibel, der Koran, hinduistische oder buddhistische Schriften. Überall wird versucht, das Unfassbare mit Hilfe von Metaphern fassbar zu machen.
Laotses Meisterwerk, das Tao Te King, das als Gründungsschrift des Daoismus gilt, besteht sogar ausschließlich aus Metaphern. Eine Symbolik nach der andern. Es sind sogar viele Metaphern mit Wasser dabei. Es ist die mysteriöseste und zugleich einleuchtendste Schrift, die ich je gelesen habe. Deshalb wirst du in diesem Buch einige Auszüge davon finden.
Trotzdem folgt hier noch eine wichtige allgemeine Warnung im Bezug auf Metaphern …
Eine Warnung beim Umgang mit Metaphern
Ein wichtiger Teil wird immer fehlen, weil er in Worten nicht vermittelt werden kann.
Es ist wie mit dem Geschmack einer Frucht:
Willst du einem Freund erklären, wie die Frucht schmeckt, kannst du ihn mit anderen Geschmäckern vergleichen, die er kennt. Damit dein Freund diesen Geschmack aber vollkommen versteht, muss er die Frucht selbst probieren.
Dschuang Dsi veranschaulicht das mit einer trefflichen Metapher, in der der Wagner Flach zum Herzog Huan spricht:
„Wenn man beim Rädermachen zu bequem ist, so nimmt man’s zu leicht, und es wird nicht fest. Ist man zu eilig, so macht man zu schnell, und es paßt nicht. Ist man weder zu bequem noch zu eilig, so bekommt man’s in die Hand, und das Werk entspricht der Absicht. Man kann es mit Worten nicht beschreiben, es ist ein Kunstgriff dabei. Ich kann es meinem eigenen Sohn nicht sagen, und mein eigener Sohn kann es von mir nicht lernen. So bin ich nun schon siebzig Jahre und mache in meinem Alter immer noch Räder.“3
(Dschuang Dsi)
Die Wahrheit ist etwas anderes als die Metapher. Etwas das nicht erklärt werden kann. Aber die Metaphern kommen dem eben sehr nahe. Sie sind, wie ein ZEN-Sprichwort so treffend sagt, „wie Finger, die auf den Mond zeigen: Wenn du nur auf den Finger schaust, siehst du den Mond nicht“.
Deshalb ist es so fatal, Metaphern wörtlich auszulegen.
Bei unserem Sinnbild des Wassers ist dies zwar nicht so gefährlich, aber wenn wir beispielsweise versuchen, Gleichnisse aus der Bibel oder dem Koran wörtlich auszulegen, kann das große Probleme verursachen. Und das tut es ja auch oft.
Wie geht es weiter?
Jetzt weißt du alles Nötige über unseren Lehrmeister, das Wasser.
Bevor wir nun tiefer in das Thema Loslassen einsteigen, wollen wir uns im nächsten Kapitel noch kurz anschauen, was dich in diesem Buch genau erwartet und wie du das meiste aus ihm herausholen kannst. Gleich danach geht es dann auch schon ans Eingemachte.
Fazit
- Wasser ist in vielerlei Hinsicht ein wichtiges Schlüsselelement des Lebens
- Fließendes Wasser ist die perfekte Metapher für das Loslassen
- Da das Loslassen und seine Mechanismen oft schwer in Worte zu fassen sind, kommt uns das bildliche Beispiel das Wassers zur Hilfe
- Wenn man etwas nicht versteht, ist es am einfachsten, es mit etwas zu vergleichen, das man versteht
Aber bedenke: Metaphern sind nicht die absolute Wahrheit! Aber sie können uns einen guten Eindruck vermitteln.
Frage: Wie hat dir dieser Auszug aus meinem Buch über das Loslassen gefallen? … Hältst du das Wasser für eine gute Metapher? Kennst du vielleicht noch eine andere? Hinterlasse einen Kommentar!
Fußnoten:
2 Chung, Kuan (Guanzi), und Yu-lan, Fung: Kuan-tzu, S. 166-67 zitiert nach Watts, Alan: Der Lauf des Wassers. 2011. S. 83-84.
3 Dsi, Dschuang und Wilhelm, Richard: Das wahre Buch vom südlichen Blütenland. 2011. S. 163-64.
sehr schöner Artikel zum Thema Wasser. Und in Wasser steckt noch viel mehr drin. Hier nur einige Redewendungen als Gedankenanstöße:
– Wasser bahnt sich seinen Weg
– Wasser nimmt immer den einfachsten Weg
– Steter Tropfen höhlt den Stein
– Wasser ist weich, wie warme Butter und hart, wie Beton (mit Wasser-Kanonen werden am Flughafen Koffer gesprengt).
– Wasser, DIE Metapher für „Leben“. Wasser muss fließen; braucht einen Zufluss (= Input, Annehmen) und einen Abfluss (= Output, Loslassen, was man nicht mehr braucht). Eine Metapher also für Stoffwechsel. Ein Tümpel mit stehendem Wasser, fängt an zu stinken zu faulen.
– Wasser existiert in verschiedenen (Aggregat)Zuständen: Eis, flüssig, Dampf. Wasser wechselt den Aggregatzustand im ewigen Kreislauf. Metaphorisch übertragen: Dieser Aggretzustandswechsel geschieht mit allem Leben und sowohl auf grobstofflicher, als auch auf feinstofflicher Ebene (Seelenwanderung etc.)
– Wasser verdampft, wird zu Wolken, regnet ab und wird wieder zu Wasser, verdampft … Wasser als Metapher für den ewigen Kreislauf
– Wasser ist eine umfassende Metapher für alle universell geltenden Naturprinzipien (bspw. Prinzip der Resonanz und Anziehung, Prinzip der Polarität/Geschlechtlichkeit, Ursache und Wirkung, Prinzip der Schwingung, des Rhythmus, Prinzip des Ausgleichs und der Harmonie, Prinzip der Analogien, etc.). Gegen diese Naturprinzipien zu denken und zu handeln, ist, wie gegen einen Fluss zu schwimmen
– oder was Bruce Lee einmal über Wasser sagte:
“Leere deinen Geist. Werde formlos, gestaltlos – wie Wasser. Wenn man Wasser in eine Tasse gießt, wird es zur Tasse. Gießt man Wasser in eine Teekanne, wird es zur Teekanne. Wasser kann fließen und schmettern. Sei Wasser, mein Freund.”
Hey Wolfgang,
wow, da sind dir ja auf Anhieb ziemlich viele geniale Metaphern zum Wasser eingefallen! Danke dafür =)
Viele davon finden sich tatsächlich auch im Buch wieder =)
Das Bruce Lee Zitat hat es mir besonders angetan.
Liebe Grüße
Norman
Hi Norman,
Danke Dir. Mein Kommentar war ein Reflex in Form eines Brainstormings, das Dein klasse Artikel ausgelöst hat :)
Von Bruce Lee kennt man meist nur seine Kung Fu-Filme, aber es gibt einige Zitate von ihm, tiefgründig und voller Lebensweisheit. Wohl auch ein Ausdruck einer Buddhistischen Prägung seinerseits. Die Wenigsten wissen auch, dass er Philosophie und Psychologie studierte.
Liebe Grüße
Wolfgang
Wow, das wusste ich auch nicht, danke =)
Aber eigentlich auch nicht verwunderlich, denn ich glaube gerade in der fernöstlichen Kampfkunst findet man mehr als anderswo das Prinzip, dass das Training des Geistes ebenso wichtig ist, wie das des Körpers und es der Einklang der beiden ist, der zu wahrer Stärke verhilft =)
Ein außergewöhnlicher Typ war das …
LG Norman
Wasser ist ebenso wild und zerstörerisch. Das Leben ist halt kein Ponyhof. ;-)
… und kein stiller Tümpel =)
LG Norman